AM28 – Brief an Walter Gropius
Toblach, Samstag, 3. September 1910


Samstag abend

Mein

Ich brachte Mama den Brief an’s Bett und gieng. Spät erst – nachdem ich Dir geschrieben – kam ich zu ihr – sie dachte nach. Dein Brief rührte sie tief und sie ist voll Liebe für Dich. – Wir überlegten. München ist voll alter Freunde – ich werde immer mit sein müssen – aber ein trauliches Sichsehen erscheint uns Beiden ausgeschlossen. Da kam ihr eine Idee. Nach München – Wien. In Wien bin ich ungebunden. – Ich werde mir eine Toilette in Wien anschaffen – extra damit ich die Probierausrede habe. – Ich werde Dir ein


Hotel aussuchen, in der Nähe der Schneiderin – Du bleibst einige Tage – niemand darf Dich sehen – jeden Nachmittag komme ich zu Dir[.] – —

Wie gefällt Dir das? – Es ist für mich nicht nur möglich – sondern leicht ausführbar. – In München hätte ich Dich bloß eine Stunde einmal. Schreibe mir, welche Zeit Dir am Passensten [!] ist. —

Ich komme am 14ten nach Wien. Ich glaube, dann, so schnell als möglich!!! – Schön wär’ es[,] wenn Du trotzdem – ohne die Möglichkeit mich allein zu sehen – nach München zur Aufführung kämst. Gemeinsames Erleben bedeutet viel! – Überlege alles!! – Schreibe München – Hauptpost

poste restante A.M.50[.] Ich hoffe – Du wirst mit meiner Idee zufrieden sein. —

Wie glücklich wäre ich, wüsste ich Dich unter den Zuhörern am 12ten – und wie selig erst – sehe ich Dich im Concertsaal, wenn auch nur für einen Moment – \von Weiten [!]/[,] wobei sehr zu beachten ist, dass meine Schwägerin – Frau [,] Dich nicht sieht. – Ich wünsche mir, dass Du dieses einzig adelige Werk hörtest. – Dann wüsstest Du – in welcher Sphäre ich lebe . . . . was ich brauche – liebe[.] –

– Meiner —

Und dann nachher –

Wien!


Ich muthe Dir viel Reiserei zu – aber aus der Gewissheit heraus, dass ich jederzeit für Dich dasselbe thäte – bitte ich Dich! – Hast du vielleicht in München was zu thun, so bleibe noch 1 – 2 – 3 Tage dort und komme eben einfach direct nach Wien nach. darf nicht wissen, dass Du nach München gehst und noch weniger – nach Wien. Schmutziger Tratsch darf uns nicht nahen – und am Wenigsten – wenn unsre Freude gekrönt würde! —

Geliebter – Gute Nacht. Es ist sehr spät –

Ich liebe Dich. – Ich liebe Dich[.]

Dein Weib –


Apparat

Überlieferung

, , , .

Quellenbeschreibung

2 Bl. (4 b. S.) – Briefpapier.

Beilagen

Umschlag, , Neubabelsberg bei Berlin | Stahnsdorferstraße 83 | Herrn Walter Gropius; PSt. (lt. , S. 531, Nr. 112): TOBLACH 2 | 4 | 9 | 5 A | 10 | c; von WG mit einer 15 versehen (Zur Nummerierung von Alma Mahlers Briefumschlägen).

Druck

, S. 932, bei Anm. 502 (Auszug in engl., teils fehlerhafter Übersetzung).

Korrespondenzstellen

Antwort auf WG64 vom 2. September 1910 (Wenn unmöglich, können wir dann nicht irgendwo 8–10 Tage zusammen in Ruhe genießen?): Da kam ihr eine Idee. Nach München – Wien. In Wien bin ich ungebunden. Beantwortet durch WG70 vom 8. September 1910 (Was für einen Brief giebst Du Deiner Mutter? im Bett?): Ich brachte Mama den Brief an’s Bett und gieng.

Datierung

Absendedatum: „4.[9].1910“ (, S. 51, Anm. 165, S. 309).

Schreibdatum: „3 [Sept.] 1910“ (, S. 932, Anm. 502).

Datiert durch AM und Poststempel: Samstag abend vor dem 4. September 1910.

Übertragung/Mitarbeit


(Elisabeth Behnle)
(Bettina Schuster)


A

Brief – aus dem zuvor abgeholten Packet Briefe (AM27 vom 3. September 1910).

B

Schneiderin – Modesalon Flöge, seit 1904 von und ihren Schwestern und in der Casa Piccola, Mariahilfer Straße 1b in Wien geführt.

C

Dreifach unterstrichen.

D

Aufführung – der von am 12. September 1910 in München.

E

A.M.50 – Chiffre, postlagernd, vgl. WG5 vom 17. Juli 1910: A.M. 40.

F

dass meine Schwägerin – Frau Rosé[,] Dich nicht sieht Schwester hatte in Tobelbad kennengelernt, s. AM25 vom 24. August 1910: Wiesenweg.

G

dieses einzig adelige Werk .